Universität Bonn

Institut für Archäologie und Kulturanthropologie

Atlas der Deutschen Volkskunde

ADV - Atlas der Deutschen Volkskunde

ADV Archivzugang

Derzeit ist eine regelmäßige und zügige Bearbeitung von Anfragen zum Atlas der deutschen Volkskunde aufgrund der Personalstruktur in der Abteilung Empirische Kulturwissenschaft Kulturanthropologie leider nur sehr eingeschränkt möglich.

Für Anfragen zur Recherche wenden Sie sich bitte an Victoria Huszka (siehe rechts).

Eine Recherche kann weitergehend nur dann erfolgen, wenn die Anwesenheit von Mitarbeitenden gewährleistet ist und eine vorherige Absprache mit dem Personal über folgende E-Mail-Adresse getroffen wurde: BibKA@uni-bonn.de.

Kontakt

Avatar Huszka

Dr. Victoria Huszka

Raum 3.001 / III. OG

Am Hofgarten 22

53113 Bonn

Der Atlas der deutschen Volkskunde (ADV) ist das größte geisteswissenschaftlichen Langzeitprojekt, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG; vormals Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft) im 20. Jahrhundert förderte. Die jeweiligen Projektverantwortlichen und ihre Mitarbeiter*innen dokumentierten zwischen 1928 und 1984 mithilfe von insgesamt acht Fragebögen Aussagen über „Volkskultur“, werteten diese aus und machten deren geographische Verbreitung kartographisch sichtbar. Ziel dieses volkskundlichen Projekts war es, Kulturräume und -grenzen zu definieren, und zwar – zumindest in der Zwischenkriegszeit – im gesamten Deutschen Reich in seinen Grenzen von 1920 inklusive Österreich sowie den deutschsprachigen Gebieten der damaligen Tschechoslowakei (sudetendeutsche Gebiete).

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in Westeuropa sprachwissenschaftliche Projekte, die kartographisch über die Untersuchung zur Verbreitung von Dialekten den Versuch unternahmen, einen statischen Bezug zwischen „Volk“, Raum und Sprache zu definieren. In der Folge verbreitete sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Forderung nach einer „großen deutschen Volkskunde“ (Peßler 1931: 3). Ausgehend von den Impulsen der Dialektforschung und der entstandenen Theorie der Kulturströmungen wurde die Bonner Schule für Kulturraumforschung begründet. Dem vorausgegangen war Anfang der 1920er Jahre die Einrichtung des Interdisziplinären Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn. Von diesen Entwicklungen stark beeinflusst richtete die Notgemeinschaft 1928, basierend auf geplanten Forschungsvorhaben des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde, die zentrale Arbeitsstelle des ADV als „groß angelegter, räumlich orientierter Datenerhebung zur [deutschen] Volkskultur“ (Wiegelmann & Cotter 1968: 189) im Berliner Schloss ein. Zusätzlich wurden 35 Landesstellen in den Erhebungsregionen geschaffen, von wo aus die Fragebögen der fünf ersten Umfragen zwischen 1929 und 1935 an insgesamt 20.000 Schulorte verschickt wurden. Die genannten Fragebögen bestehen aus 243 Fragenkomplexen mit zahlreichen Unterfragen. Die Mitarbeiter*innen der zentralen Arbeitsstelle sammelten mit Unterstützung der Gewährsleute in den Schulorten unter anderem Daten zu Leben und Alltag, bäuerlicher Arbeit, Sitte und Brauch, Festen und Ritualen, Ernährung und religiösen Vorstellungswelten. Die Originale der Antworten gingen nach Berlin, die Durchschläge an die jeweiligen Landesstellen. Hier wurde dezentral die Verschickung der Fragebögen und Einsendung der Antwortkarten verwaltet sowie der Kontakt mit Gewährsleuten unterhalten.

Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler arbeiten hinter einer Glasfassade und mischen Chemikalien mit Großgeräten.
© Abteilung Empirischie Kulturwissenschaft und Kulturanthropologie

ADV 3.jpg
© Abteilung Empirische Kulturwissenschaft und Kulturanthropologie

Ab den 1930er Jahren erfolgte die kartographische Auswertung der Antworten, zwischen 1937 und 1939 wurden erste Ergebnisse publiziert. Der Schritt von einer nationalen zu einer nationalistischen Wissenschaftsströmung erscheint unter den folgenden Gegebenheiten nicht sehr weit: Nach der Gleichschaltung zwischen 1933 und 1934 aufgrund der NS-Diktatur – anhand von einzelnen Fragenkomplexen abzulesen – wurde das Projekt 1938 vom SS-Ahnenerbe übernommen. Bedingt durch die Entwicklungen des Zweiten Weltkriegs wurde die Zentralstelle 1939 nach Frankfurt am Main verlegt. Nach dem Krieg, ab 1954, regte die DFG ihre Neueinrichtung unter der Leitung von Matthias Zender an der Universität Bonn an, wodurch das gesamte Archivmaterial (unter anderem mehr als vier Millionen Antwortkarten) von Frankfurt nach Bonn verlegt wurde. Zender ließ zwischen 1965 und 1970 drei weitere Fragebögen „zur bäuerlichen Lebenswelt um 1900“ verschicken und auswerten. Deren Ergebnisse gab er samt Karten selbst heraus, ebenso wie neue Folgen mit Auswertungen zu den Umfragen der Zwischenkriegszeit. 1984 stellte die DFG die Förderung des ADV-Projekts ein und begründete dies damit, dass ein Teil des erhobenen Datenmaterials unbearbeitet blieb. Sicherlich spielte aber auch die Tabuisierung des Themas „Raum“ innerhalb der „von ideologiekritischen Auseinandersetzungen begleiteten Reformierung der Volkskunde zu einer Wissenschaft moderner Gegenwartskultur“ (Schmoll 2009: 235) eine Rolle.


Die Geschichte des ADV ist eng verknüpft mit der Biographie Zenders, des späteren Leiters des Volkskundlichen Seminars (heute Abteilung für Empirische Kulturwissenschaft und Kulturanthropologie) der Universität Bonn. Noch heute befindet sich das Zentralarchiv des ADV in den Räumlichkeiten der Abteilung.

  • Antwortkarten der Hauptbefragung von 1929 bis 1935 (circa 4 Millionen Karteikarten)
  • Zusatzeinsendungen zur Hauptbefragung
  • Kartenmaterial (kommentiert und unkommentiert)
  • Antworten der Zusatzbefragung zur „Bäuerlichen Lebenswelt um 1900“ von 1965 bis 1970
  • Blanko-Fragebögen samt Erklärungsbögen
  • Unterlagen des späteren Leiters und früheren Mitarbeiters Prof. Dr. Matthias Zender in den Räumen samt Zusatzmaterial
  • Unterlagen zu Mitarbeiter*innen und Gewährsleuten (nicht einsehbar)
  • Der Nachlass von Matthias Zender befindet sich gesondert im Archiv der Universität Bonn (Anfragen an: archiv@uni-bonn.de)

Aubin, Hermann; Theodor Frings und Josef Müller (1926): Kulturströmungen und Kulturprovinzen in den Rheinlanden, Bonn: Röhrscheid.

Döring, Alois (o.J.): „Matthias Zender“, in: Internetportal Rheinische Geschichte.

Groschwitz, Helmut (2014): „Rewriting Atlas der deutschen Volkskunde postcolonial“, in: Hoffmann, Beatrix und Steffen Mayer (Hg.): Objekt, Bild und Performance. Repräsentationen ethnographischen Wissens (Berliner Blätter 67), Berlin: Panama-Verlag, S. 29-40.

Mattheier, Klaus J. (1986): „Dialectologie und Kulturraumforschung. Bemerkungen zu den kulturräumlichen Traditionen moderner Dialektsoziologie“, in: Brekle, Herbert und Utz Maas (Hg.): Sprachwissenschaft und Volkskunde, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 103-107.

Peßler, Wilhelm (1931): Deutsche Volkstumsgeographie, Braunschweig, Berlin, Hamburg: G. Westermann.

Schmoll, Friedemann (2009): Die Vermessung der Kultur. Der Atlas der Volkskunde und die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1928-1980 (Studien zur Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 5). Stuttgart: Franz Steiner Verlag.

Wiegelmann, Günter und Joan L. Cotter (1986): „The Atlas der deutschen Volkskunde and the Geographical Research Method“, in: Journal of the Folklore Institute 5/2-3, S. 187-197.

Wird geladen