Universität Bonn

Institut für Archäologie und Kulturanthropologie

Problematik religiöser Deutungen in der vor- und frühgeschichtlichen Archäologie

Der Wunsch nach religiöser Zuweisung von Gräbern mittels ihrer Ausstattung besteht in der Forschungstradition bereits seit dem 19. Jh., besonders in der Frühmittelalterarchäologie.

Die grundliegende Problematik liegt in der stark historisierenden und objektorientierten Forschung, die ihre religiöse Zuweisung häufig auf einen kleinen, nicht repräsentativen Teil des Fundmaterials stützt.

Bestattungen mit einem bestimmten religiösen Bekenntnis und historischen Überlieferungen in Verbindung zu bringen ist schon daher bedenklich, dass unklar ist, was der entsprechende Glaube in untersuchter Zeit und Raum bedeutet und inwiefern sich dies materiell niederschlägt.

Da in der Regel noch nicht von einer zentralen Regulation oder schriftlichen Autorität in Form einer Institution zu sprechen ist, sollte von einer großen Variabilität in Vorstellungen und Praktiken ausgegangen werden, die auf mündlicher Überlieferung und langwierigen Entwicklungsprozessen basiert.

Dennoch wäre es kritisch zu argumentieren, dass sich Glaube nur in immateriell-liturgischer Form und nicht auch anhand von Beigaben ablesen lässt. Das Problem liegt dabei häufiger im Erkennen des materiellen Niederschlags und dem fehlenden archäologischen Zugang zu abstrakten Inhalten und Symbolik.
  
Neben der allgemeinen Vorsicht, die man daher in der Ansprache religiös-konnotierter Komponenten walten lassen sollte, ist auch die Wechselwirkung verschiedener sozialer Identitäten im Material zu berücksichtigen. Ausstattungen können von diversen Faktoren wie Alter, Geschlecht, beruflicher Identität, familiärem Status, sozialer Position und Glaube abhängig sein – ebenso wie einem Anteil Individualismus.

Literatur:
B. Hausmair, Am Rande des Grabes. Todeskonzepte und Bestattungsritual in der frühmittelalterlichen Alamannia (Leiden 2015).
S. Brather, Kleidung, Bestattung, Identität. Die Präsentation sozialer Rollen im frühen Mittelalter. RGA-E Bd. 57, 2009, 237-273.

Bild: CC BY-NC-SA @ Archäologisches Landesmuseum Baden Württemberg

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