Ein Scherzefäß aus Leipzig
Im LWL-Museum in Chemnitz stießen wir auf ein ungewöhnliches, gläsernes Gefäß in Phallusform. Die trichterförmige Trinköffnung befindet sich an der Peniswurzel, wobei nicht untersucht wurde, was aus dem Gefäß getrunken wurde. Das Artefakt wird in die frühe Neuzeit (1500–1550 AD) datiert.
Besonders kurios mutet der Fundkontext an, in welchem dieses Gefäß entdeckt wurde: der Leipziger Thomaskirchhof. Vergleichbare Artefakte aus dem 16. Jahrhundert, etwa aus der Klosterlatrine in Herne oder dem Damenstift in Herford, zeigen jedoch, dass derartige Gefäße durchaus Teil der materiellen Kultur geistlicher Einrichtungen waren.
Vom 16. bis 19. Jahrhundert erfreuten sich Glasgefäße in ungewöhnlichen Formen – darunter Menschen, Tiere und alltägliche Objekte wie Schuhe – großer Beliebtheit. Als Scherzgefäße bereicherten sie die Tafeln und spiegeln die humorvolle und partiell erotisch aufgeladene Trinkkultur der frühen Neuzeit wider. Ihre aufwendige Herstellung könnte auf ein gehobenes soziales Milieu der Besitzenden hindeuten.
