Universität Bonn

Institut für Archäologie und Kulturanthropologie DE

Montanarchäologie bei Königswinter-Bennerscheid im Bergischen Land, NRW

Die jahrtausendealte Rohstoffgewinnung im Bergischen Land steht heutzutage im Schatten des flächenintensiven Braunkohlenabbaus zwischen Köln und Aachen sowie der niederrheinischen Kiesgrubenlandschaften. Die modernen Aktivitäten haben vergessen lassen, dass im rechtsrheinischen Gebiet eine der wichtigsten Bergbauregionen Deutschlands liegt, die bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts von enormer industrieller Bedeutung war und auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Auch um ihre archäologische Erforschung ist es im Vergleich zu anderen deutschen Montanlandschaften wie dem Harz und dem Erzgebirge schlecht bestellt. Hier setzt unser Forschungsprojekt ein, das sich zum Ziel gesetzt hat, den starken zeitlichen Schwankungen unterworfenen Wirtschaftszweig der Erzgewinnung sowie deren Auswirkungen auf die Umwelt anhand einer Fallstudie zu erhellen.

In Abstimmung mit dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland erfolgt seit 2018 die Erforschung des im späten 19. Jahrhundert aufgelassenen Montanreviers von Bennerscheid bei Oberpleis im Pleiser Hügelland. Ehrenamtliche Mitarbeiter – allen voran Heinz Wolter – haben in jahrzehntelanger Arbeit Oberflächenfunde geborgen und eine ausgezeichnete Grundlage für die weitere Erkundung des Platzes geschaffen. Das Gelände erstreckt sich bis auf das Gebiet der Gemeinde Wellesberg und weist zahlreiche Pingen, Halden Stollenmundlöcher und Terrassierungen auf – Relikte einer Jahrtausende langen Gewinnung von Eisen-, Blei-, Zink- und Kupfererzen sowie möglicherweise auch von Silber. 

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© Digitales Landschaftsmodell des Montanreviers bei Bennerscheid (Daten: Geobasis NRW 2022)
Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler arbeiten hinter einer Glasfassade und mischen Chemikalien mit Großgeräten.
© Freilegung von Befunden während der Lehr- und Forschungsgrabung 2018 (Foto: T. Rünger, Univ. Bonn).

Die Feldforschung findet vornehmlich im Rahmen von fünfwöchigen Ausgrabungen statt, in denen Studierende das Handwerk erlernen können. Eingesetzt werden in dem interdisziplinär aufgestellten Projekt unter anderem Methoden aus der GIS-gestützten Fernerkundung (3D-Modellierung und Lasercan-Auswertung), der Archäometallurgie, der Archäobotanik, der Geoarchäologie, der Geophysik, der Dendrochronologie und der Radiokarbondatierung (AMS-14C). Ein weiterer methodischer Zugang ist die Auswertung von Archivalien, wie Altkarten, Gruben- und Saigerrissen.

Bisher lassen sich vier Nutzungsphasen nachweisen: die späte Vorrömische Eisenzeit, die frühe Römische Kaiserzeit, das Hochmittelalter und die Neuzeit. Umfangreiche und detaillierte Befunde, die in den „Haltern-Horizont“ (11/7 v. Chr. –9/17 n. Chr.) datieren, ermöglichen einmalig gute Einblicke in die frühkaiserzeitliche Blei- und Silbergewinnung. Ein hochmittelalterlicher Schmiede- und Eisenverhüttungsplatz sowie Indizien für die Bergkristallgewinnung und -verarbeitung runden die bisher gewonnenen Einblicke ab.

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© Lesefunde: Frühkaiserzeitliche Bleiobjekte und Münzen (Bemmann/Rünger 2021, Abb. 3).
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© Werkplatz zur Blei- und Silbergewinnung (Rünger/Bemmann 2020, Abb. 1).
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© Mittelalterlicher Schmuckstein aus Bergkristall (Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn).

Projektdaten

Projektleitung:

  • Prof. Dr. Jan Bemmann, Dr. Torsten Rünger M.A.

Mitarbeiterinnen:

  • Stud.phil. Elena Schmidt, Marielle Zeuner B.A.

Alumnis:

  • Svenja Biedinger M.A., Ellen Igelmund M.A., Laura Winck M.A., Sebastian Knura B.A.
  • LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland
  • LVR-LandesMuseum Bonn
  • Universität Bonn, Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie, Abteilung "Geochemie/Petrologie"
  • Universität zu Köln, Institut für Ur- u. Frühgeschichte, Labor für Archäobotanik
  • Universität zu Köln, Forschungslabor Dendroarchäologie / Archäologisches Zentrum umwelt- u. kulturgeschichtliche Geoinformation NRW (AZG)
  • Universität zu Köln, CologneAMS (AG Rethemeyer)
  • Geologischer Dienst NRW – Bodenkundliche Landesaufnahme
  • Deutsches Bergbau-Museum Bochum, Abteilung Archäometallurgie
  • Labor für Archäometallurgie, Kenzingen (B. Asmus)
  • Posselt & Zickgraf Prospektionen
  • Denkmalförderungsprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen
  • J. Bemmann/T. Rünger, Bleierne Zeiten. Römischer Bergbau bei Bennerscheid im Pleiser Hügelland. In: E. Claßen/T. Schürmann/M. Trier/M.M. Rind (Hrsg.), Roms fließende Grenzen: Archäologische Landesausstellung Nordrhein-Westfalen. Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 12 (Darmstadt 2021) 386–389 (online verfügbar bei Academia).
  • J. Bemmann/T. Rünger, Römischer Blei- und Silberbergbau rechts des Rheins im Bergischen Land. In: M. Wemhoff (Hrsg.), Germanen. Eine archäologische Bestandsaufnahme (Darmstadt 2020) 354–359 (online verfügbar bei Academia).
  • T. Rünger/J. Bemmann, Frühkaiserzeitliche Blei- und Silbergewinnung bei Königswinter-Bennerscheid. Archäologie im Rheinland 2019, 2020, 104–107 (online verfügbar bei Academia).
  • M. Zeuner, Bergbaubedingte Geländestrukturen im Montanrevier bei Königswinter-Bennerscheid. Klassifizierung und Datierung über GIS-gestützte Laserscan-Auswertung und Fundverbreitungskartierung (unveröffentlichte BA-Arbeit, Univ. Bonn 2020).
  • E. Claßen/T. Rünger, Aktuelles aus der Landesarchäologie: Bergbau im Bergischen Land. Archäologie in Deutschland 2019/2, 58–59.
  • T. Rünger/K. Frank/J. Bemmann, Neues zu einem alten Bergwerk. Montanarchäologische Forschungen in Königswinter-Bennerscheid (Rhein-Sieg-Kreis). Archäologie im Rheinland 2018, 2019, 173–176 (online verfügbar bei Academia).
  • „2000 Jahren Bergbau auf der Spur. Studierende erforschen regionale Wirtschaftsgeschichte“. Forsch: Bonner Universität-Magazin Herbst/Winter 2019, 32–33 (online verfügbar).

Kontakt

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Prof. Dr. Dr. h.c. Jan Bemmann

Universitätsprofessor für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie

R. 3.063

Brühler Straße 7

53119 Bonn

+49 (0)228 / 73-7325

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Dr. Torsten Rünger

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie

R. 3.014

Brühler Straße 7

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+49 (0)228 / 73-62464

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