Die merkantile Zentralortfunktion der römischen Kolonie Cosa (Ansedonia)

Die auf das Jahr 273 v. Chr. zurückgehende latinische Kolonie Cosa (beim heutigen Ansedonia, Italien) ist durch mehrere hauptsächlich amerikanische Grabungsprojekte gut erschlossen. Sie konnte in der Forschung deshalb zu einer Art Musterfall einer römischen Neugründung avancieren. Bislang sind die öffentlichen Bauten am Forum, wichtige Heiligtümer, die Thermen sowie ausgewählte Wohnhäuser freigelegt; auch der nahegelegene Hafen ist gut untersucht. Die 2013–2018 durchgeführten geophysikalischen Prospektionen der Universität Tübingen zeigen allerdings, dass die Stadt nur teilweise bebaut war. Sie kann also weniger als größere Bevölkerungskonzentration gelten denn als politisches, religiöses und wirtschaftliches Zentrum der Region mit einem zwar großen Einzugsgebiet, doch einer nur kleinen ortsansässigen Bevölkerung.
Das stellt im republikanischen Mittelitalien keinen Einzelfall dar. Bislang weitgehend unbekannt sind allerdings die merkantilen Räume, welche Cosa seinem Umland geboten haben muss. Dieser Frage ist ein dreijähriges Grabungsprojekt der Universität Bonn gewidmet. Einen Fokus stellt ein bislang als Horreum gedeutetes, doch nur sehr oberflächlich untersuchtes, ungewöhnliches Gebäude neben dem nordwestlichen Stadttor dar; den anderen eine Platzanlage, welche sich in den geophysikalischen Messbildern abzeichnet und angesichts ihrer Form und ihrer Lage am ehesten als Marktkomplex anzusprechen ist. Mithilfe der Grabungen können Zeitstellung, Bauform und diachrone Entwicklung beider Anlagen geklärt und somit die merkantile Infrastruktur der Kolonie erschlossen werden; die Integration archäobotanischer und archäozoologischer Analysen lässt darüber hinaus Rückschlüsse auf antike Ernährungsgewohnheiten zu. Damit werden wichtige Lücken in der Kenntnis des Orts gefüllt.


Außerdem erlaubt das Projekt die Überprüfung der Ergebnisse der geophysikalischen Prospektionen und lässt weitere Rückschlüsse auf die komplexe Siedlungsgeschichte des Orts zu, die sich bereits in den Arbeiten der letzten Jahre als weitaus facettenreicher erwies, als zunächst angenommen worden war. Insbesondere aber ermöglichen die Arbeiten in Cosa sowie die Auswertung der aus der Umgebung bekannten Befunde die ökonomische Kontextualisierung der Kolonie innerhalb ihrer Umgebung.
Die Grabung wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und in enger Kooperation mit den aktuell laufenden US-amerikanischen Cosa Excavations durchgeführt. Die erste Grabungskampagne findet im September 2023 statt.
- L. Balandat – Ch. Hübner – S. Giese – R. Posamentir – M. F. Rönnberg, Cosa Revealed: Augustus, a New Development, and the Shape of an ›Odd Colony‹, in: A. U. De Giorgi (Hrsg.), Cosa and the Colonial Landscape of Republican Italy (Third and Second Centuries BCE) (Ann Arbor 2019) 67–87.
- Dr. Maximilian Rönnberg (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)
Primärer Kooperationspartner:
- Prof. Dr. Andrea De Giorgi (Florida State University)
Weitere Kooperationspartner:
- Dr. Mette Marie Hald (The National Museum of Denmark)
- Dott. Massimo Brando (Rom)
- Prof. Dr. Richard Posamentir (Eberhard Karls Universität Tübingen)
- Christian Hübner (GGH – Solutions in Geosciences)
- Dr. Matthias Lang (Bonn Center for Digital Humanities)