Was ist Empirische Kulturwissenschaft und Kulturanthropologie?
Den lokalen Ausgangspunkt unserer kulturanalytischen Studien an der Bonner Abteilung bildet zumeist die unsere direkte regionale Umgebung. Hierauf aufbauend bietet die interdisziplinäre Struktur unseres Masterstudiengangs die einzigartige Möglichkeit, sich im Verlauf des Studiums wahlweise in Richtung lokaler oder transnationaler kultureller Prozesse zu spezialisieren.
Zu unseren Forschungsinteressen gehört die Transformation regionaler und urbaner Räume. Im Prozess der ökonomischen und kulturellen Globalisierung verändern sich die materielle Gestalt, Lebensweisen und Selbstverständnisse der BewohnerInnen von Regionen und Städten. Wir beschäftigen uns mit den (geplanten) und alltagskulturell ausgehandelten Inszenierungen von Landschaften und städtischen Räumen – zum Beispiel durch Parkkonzepte oder auch Großevents –, mit dem Wandel von Wohnformen, aber auch mit sich verändernden regionalen Identitäten und Selbstverständnissen.
Wir interessieren uns für den Wandel der Freizeit- und Konsumformen sowie der soziokulturellen Beziehungen. Hierzu gehören zum Beispiel Fragen nach der Veränderung von Ernährungsweisen ebenso wie Fragen nach den Praktiken politischer Partizipation in Form von bürgerschaftlichem Engagement oder auch kollektivem Protest.
Wir untersuchen, wie sich die Arbeitsverhältnisse der Menschen im sozioökonomischen Wandel von der industriellen Produktion hin zur Hegemonie der Wissens- und Kreativökonomie verändern. Wir fragen nach Veränderungen der Arbeitstätigkeiten, der damit verbundenen Wissensformen oder auch der materiellen Arbeitsumwelt sowie Praktiken der Mobilität.
Bei unseren Studien in diesen vielfältigen Forschungsfeldern behalten wir, nicht zuletzt aufgrund unseres methodischen Vorgehens in Form von teilnehmenden Beobachtungen oder qualitativen Interviews, die subjektiven Momente kollektiver Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsweisen im Blick, fragen nach eigensinnigen Umdeutungen und Verwendungen, aber auch danach, welche sozialen Strukturen subjektive Performanzen, wie zum Beispiel Erzählungen und Biographien, prägen.
Unsere Forschungen führen jedoch immer auch über die lokalräumlichen Grenzen der Region hinaus, denn die von uns untersuchten soziokulturellen Phänomene sind angesichts globalisierter Ökonomien, der lokalen oder transnationalen Mobilität der BewohnerInnen wie auch der kommunikativen Möglichkeiten gegenwärtiger Informations- und Kommunkationstechnologien nur unter Berücksichtigung dieser grenzüberschreitenden Dimensionen der Alltagskultur zu verstehen. Wir fragen danach, wie translokale, transnationale und globale kulturelle Prozesse die lokale Alltagskultur durchwirken, aber auch, wie das Lokale den globalen soziokulturellen Wandel mit prägt.
Für unsere Studierenden bieten sich viele Möglichkeiten und Freiräume, die Abteilung mitzugestalten, unsere Lernkultur zu prägen , Einblicke in die laufenden Forschungsarbeiten der Mitarbeitenden zu bekommen und sich mit eigenem Engagement in die inhaltliche Entwicklung einzubringen.
Die Kulturanthropologie arbeitet mit einem weiten Verständnis von Kultur im Sinne von »culture as a whole way of life« (Raymond Williams). Unter »Kultur« verstehen wir demnach all das, »was die Menschen in Konfrontation mit ihren Alltagsanforderungen geschaffen haben« (Gottfried Korff). Kulturelle Prozesse sind Anwendungen, Produktionen und Effekte von Vorstellungen, normativen Werten, subjektiven Wahrnehmungs- und Deutungsmustern, Kompetenzen, Praktiken, aber auch Artefakten und Technologien, die innerhalb von sozialen Gruppen unter den jeweiligen historischen Bedingungen und Beziehungen entstehen und mit denen sie ihre natürlichen und gesellschaftlichen Existenzbedingungen bewältigen.
In unserer Kulturanalyse berücksichtigen wir, dass alltägliche Wahrnehmungen, Deutungen und Handlungen von gesellschaftlichen Widersprüchen, von differenzierend wirkenden Klassen-, Geschlechter- und ethnisch klassifizierten Verhältnissen durchwirkt sind, diese sozialen Strukturen aber auch in den Performanzen des Alltags aktualisiert werden. Gleichzeitig produzieren alltagskulturelle Prozesse ungleiche Verhältnisse hinsichtlich der »Fähigkeiten von Individuen und gesellschaftlichen Gruppen, ihre Bedürfnisse zu definieren und zu verwirklichen« (Richard Johnson). »Kultur« ist somit auch »as a whole way of conflict« (Edward P. Thompson) zu verstehen.
Literatur
Hall, Stuart: Die zwei Paradigmen der Cultural Studies. In: Karl H. Hörning/ Rainer Winter (Hg.): Widerspenstige Kulturen. Cultural Studies als Herausforderung. Frankfurt a.M. 1999 [1980], S. 13–42.
Johnson, Richard: What is Cultural Studies Anyway? In: Social Text 16 1999 [1986/1987], S. 38–80. Online unter <http://www.jstor.org/stable/466285> (Stand April 2012).
Korff, Gottfried: Kultur. In: Hermann Bausinger u.a. (Hg.): Grundzüge der Volkskunde (3. unveränderte Auflage). Darmstadt 1993 [1978], S. 17–80.
Lindner, Rolf: Zur kognitiven Identität der Volkskunde. In: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 90 (1987) 1, S. 1–19.
Williams, Raymond: Culture and Society 1780–1950. London 1958.
Das Studium der Kulturanthropologie qualifiziert Sie für viele Berufe, wenngleich es weniger auf die Vorbereitung für ein konkretes Berufsfeld abzielt. In erster Linie lernen Studierende unseres Fachs in Theorie und Praxis, wie man kulturwissenschaftlich argumentiert und forscht. In zweiter Linie eignen Sie sich die viel gefragte Fähigkeit an, sich selbständig und in Eigenverantwortung, aber auch in Kooperation mit anderen Arbeitsbereiche und Aufgabenfelder zu erschließen. Darüber hinaus entwickeln Sie die zivilgesellschaftlich bedeutende Fähigkeit, gesellschaftliche Entwicklungen kritisch zu reflektieren und das vermeintlich Selbstverständliche zu hinterfragen.
Berufsfelder, für die ein Studium der Kulturanthropologie qualifiziert, sind neben der wissenschaftlichen Tätigkeit unter anderem kommunale und regionale Kultur- und Bildungsarbeit, Ausstellungsarbeit, Verlagswesen, das Museumswesen, Erwachsenenbildung, Journalismus und Medienarbeit oder auch Arbeit in NGOs.
Darüber hinaus strebt die Bonner Abteilung eine enge Zusammenarbeit mit den vielfältigen Museen des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) sowie dem Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte an. MitarbeiterInnen aus der praktischen Museums- und Forschungsarbeit des LVR bieten bei uns regelmäßig Lehrveranstaltungen an. Die Kooperation zwischen LVR und der Bonner Abteilung bietet unseren Studierenden die einzigartige Möglichkeit, in Praktika und Ausstellungsprojekten Erfahrungen in der Kulturarbeit zu sammeln und ihr Wissen direkt anzuwenden sowie zu erweitern.
Zu einem gelingenden Start in das Berufsleben nach dem Studium können Sie selbst einen wichtigen Beitrag leisten. Neben dem engagierten Studium können Sie erste praktische berufliche Erfahrungen sammeln, sich in gesellschaftspolitischen Projekten engagieren und aktiv Ihren Interessen folgen, um auf diese Weise herauszufinden, welches Arbeitsfeld Ihnen liegt und Spaß macht. Der Bonner Masterstudiengang der Transkulturelle Studien/Kulturanthropologie bietet Ihnen hierfür viele inhaltliche und praktische Anregungen.
Kontakt
Geschäftszimmer
Bitte wenden Sie sich mit allen Fragen rund um unseren Studiengang per E-Mail an unser Geschäftszimmer. Wir werden versuchen, Sie zeitnah zu kontaktieren.
Adresse
Am Hofgarten 22
53113 Bonn
III./IV. Etage
Öffnungszeiten
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Öffnungszeiten der Bibliothek
Montag: 13:00 - 17:30 Uhr
Dienstag: 9:30 - 14:30 Uhr
Mittwoch: 12:00 - 17:30 Uhr
Donnerstag: 9:00 - 13:00 Uhr
Lage
Die Abteilung für Empirische Kulturwissenschaft und Kulturanthropologie befindet sich zentral gelegen an der Ecke Adenauerallee/Hofgarten in Nachbarschaft zum Akademischen Kunstmuseum und der Universitäts- und Landesbibliothek.
Am Hofgarten 22
53113 Bonn
III./IV. Etage
Anreise mit Bus und Bahn
Sie erreichen uns bequem vom Bonner Hauptbahnhof oder den Stationen "Bonn Universität/Markt" sowie "Bonn Juridicum" in wenigen Minuten.
Netzwerke
Die Fachgesellschaft der Bonner Kulturanthropologie ist die Deutsche Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft.
Bonn und Umgebung
Das Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) mit der Abteilung für Alltagskulturen und Sprache.
Eine besonders enge Zusammenarbeit bei Vorträgen oder der Betreuung von Promovierenden an der Universität findet über das Zentrum für Kulturwissenschaften statt.
Benachbarte Disziplinen an der Universität Bonn, etwa die Abteilung für Altamerikanistik, das Institut für Orient- und Asienwissenschaften, die Soziologie, die Komparatistik, die Abteilung für Interkulturelle Kommunikation oder das Zentrum für Entwicklungsforschung.
Museen

Das Stadtmuseum Bonn ist Kooperationspartner verschiedenere Ausstellungen und Projekte.

Das Freilichtmuseum in Kommern wird vom LVR neben einer Vielzahl von weiteren Museen und dem Landesmuseum in Bonn betrieben.

Die Industrie- und Freilichtmuseen im Rheinland und Ruhrgebiet.
Recherche- und Forschungs-datenbanken
EVIFA
Die Virtuelle Fachbibliothek der ethnologischen Fächer. Literatursuche, Digitalisate, viele weitere Online-Ressourcen.
Portal Alltagskulturen
Das Portal Alltagskulturen, finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem LVR. Es bietet neben Hintergrundinformationen auch Möglichkeiten zur Recherche in digital erfassten Sammlungen.