Projekt Bronzegusswerkstatt
Eine Gusswerkstatt der ägyptischen Spätzeit
Erfassung, Analyse und Kontextualisierung der Materialien einer Bronzegusswerkstatt von der Qubbet el-Hawa (Region Assuan)
gefördert durch: |
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Projektleitung: Koordination: Wissenschaftlicher Mitarbeiter: |
Prof. Dr. Ludwig D. Morenz. Dr. Martin Fitzenreiter. Dr. des. Johannes Auenmüller. |
Abschlussbericht: hier klicken.
Projektbeschreibung
Im Jahr 1969 wurde im Rahmen der Ausgrabungen des Bonner Instituts für Ägyptologie die Grabanlage QH 207 auf der antiken Felsgräbernekropole Qubbet el-Hawa gegenüber von Assuan dokumentiert. Dieses Grab wurde am Ende des Alten Reiches (2707-2216 v.Chr.) errichtet und in der Folgezeit immer wieder als Bestattungsplatz genutzt. In der Kultkammer wurde im Zusammenhang mit einer Grablege der ägyptischen Spätzeit (664-332 v.Chr.) eine Vielzahl von Artefakten geborgen, welche als Überreste einer ägyptischen Gusswerkstatt anzusehen sind. |
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Abb.: Die Qubbet el-Hawa bei Assuan. Der Fundplatz QH 207 befindet sich auf der Felsterasse rechts. |
Was wissen wir über Guss im Alten Ägypten?
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Aufgrund der seltenen archäologischen Befunde von Werkstätten ist die antike Bronzegusstechnik Ägyptens bisher noch kaum erforscht. Die meisten der bis heute vorliegenden Erkenntnisse beruhen auf der Untersuchung von vollendeten Bronzeobjekten oder auf Analogieschlüssen aus dem Belegmaterial anderer antiker Kulturen des Mittelmeerraumes. Die Grundlagen der Herstellungstechnik und Gestaltung von Objekten aus Bronze sind daher einigermaßen gut bekannt. Schlechter ist es hingegen um die konkrete Erforschung der Umwandlung eines in Wachs geformten Gussmodells in ein metallenes Objekt bestellt. Da dieser Schritt beim angewendeten Wachsausschmelzverfahren regelhaft die Zerstörung sowohl des Modells als auch der Gussform beinhaltet, sind Belege und Quellen dazu äußerst rar. Die verwendeten Gussformen, ihre Herstellungstechniken und Materialien sind aus diesem Gund bisher so gut wie unbekannt. Dies gilt ebenso für Wachsmodelle, die speziell zur Verwendung als Gussmodelle angefertigt wurden, und das genaue Verfahren ihrer Herstellung. |
Abb.: Grabanlage QH 207 mit Bestattungen der Spätzeit. Der Fundort des z.T. in einem Tongefäß aufbewahrten Konvoluts liegt links im Eingangsbereich. |
Das Konvolut von der Qubbet el-Hawa und seine Bedeutung
Die Untersuchung des Materials von der Qubbet el-Hawa verspricht daher neue und detaillierte Aufschlüsse über die Herstellungstechniken von Kleinbronzen, mit einem besonderen Fokus auf die Technologie der ägyptischen Spätzeit. Die einzelnen Objekte des Konvoluts bilden nämlich praktisch alle Herstellungsstufen von der Anfertigung des Wachsmodells bis zum fertig gegossenen Objekt ab. Es gibt Stücke von Rohwachs, Wachsmodelle von Osirisfigürchen, einen sog. Prägestock zur seriellen Herstellung solcher Statuetten, eine Negativform aus einer Wachs-Harz-Mischung, mehrere leere Gussformen für Götterfiguren und Amulette, mehrere bereits z.T. mit Bronze gefüllte Gussformen, die aber nicht zerstört wurden, mehrere Gussformen mit Fehlgüssen, die noch in der Form stecken, sowie einige weitere kleine Bronzeobjekte, Figürchen und hölzerne Teile von Götterfiguren.
Modernste Untersuchungsmethoden
Analysen dieses Materials sollen Informationen zu allen Arbeitsschritten des Gusses liefern, die bisher in dieser umfassenden Form für Ägypten nicht vorliegen. Darüber hinaus sind wichtige Erkenntnisse zur antiken Gusstechnik ganz allgemein zu erwarten. Das betrifft u.a. die Technik des Einguss- und des Abluftsystems wie auch den Guss mehrerer Objekte in einer Gussform. Die materialkundliche Dimension wird im Projekt besonders in den Vordergrund gestellt, um anhand der Ergebnisse von naturwissenschaftlich-technologischen Untersuchungen eine experimentelle Versuchsreihe zu starten, in der der gesamte Herstellungsprozess ägyptischer Kleinbronzen im Detail nachvollzogen werden soll.
Dank der Förderung durch die Fritz-Thyssen-Stiftung und der vielfältigen Kooperation mit führenden naturwissenschaftlich und technologisch arbeitenden Forschungsinstituten und Experten für antike Metalltechnologie werden daher mit Hilfe modernster Verfahren umfassende Daten zu den Artefakten gesammelt. Mittels der Computertomographie ist es möglich, sich ein präzises Bild der Zusammensetzung der Gussformen und ihres Innenlebens zu machen. Die gewonnenen digitalen Daten dienen darüber hinaus dazu, 3D-Modelle des Hohlraum im Inneren der Gussformen anzufertigen, um die zu gießenden Objekte erneut zum Leben zu erwecken. Eine Untersuchung der für die Gussformen verwendeten Tone durch eine Dünnschliffanalyse wird deren Bestandteile und Mischung zeigen, die helfen, den Ort der Materialgewinnung zu identifizieren und den spezialisierten Charakter des keramischen Materials zu beschreiben. Beprobungen der organischen Materialien wie des Wachses und der organischen Masse am 'Prägestock' werden auch hier Aufschluss über die konkrete Materialbeschaffenheit geben. Die Analyse
der verwendeten Metalllegierung(en) mit Hilfe der Röntgenfluoreszenz-Methode wird in Kürze Ergebnisse zum Verhältnis zwischen den Hauptbestandteilen Kupfer, Zinn und Blei liefern, so dass die Rohstoffe und deren Zirkulation sowie das Bronze-'Rezept' der lokalen Gusswerkstatt benannt werden können.
Das Projekt bietet die Chance, eine Referenz für jegliche Beschäftigung mit ägyptischen Bronzeartefakten zu generieren, die darüber hinaus auch für den Bronzeguss und seine Technologie im Alten Orient und der Klassischen Antike von Relevanz ist.
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Abb.: Materialien einer Gusswerkstatt: Modelklotz zur Wachsmodellherstellung; Wachsmodell; Gussform; Bronzeobjekt. |
Kooperationspartner
Das Projekt wird in Kooperation mit dem LVR-Landesmuseum Bonn, Abt. Bestandspflege und Sammlungs-erschließung durchgeführt. Projektpartner sind der Leiter der Abteilung, Prof. Dr. Michael Schmauder, und der leitende Restaurator Frank Willer. Partner bei der Datenerhebung im MikroCT ist die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung Berlin (BAM), Fachbereich 8.5 Mikro-ZfP, namentlich Dietmar Meinel. Die Metallproben werden am Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gGmbH Mannheim unter der Leitung von Dr. Roland Schwab analysiert. Dr. Gerwulf Schneider (FU Berlin, Exzellenzcluster TOPOI) wird die keramische Analyse der Gussformen übernehmen, die organischen Materialien (Wachs, Bitumen, Holz) sollen im Doerner-Institut (München) unter der Leitung von Ursula Baumer untersucht werden.
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Fallbeispiel Harpokrates (Gussform QH 207/42)
Am Beispiel der leeren Gussform QH 207/42 lässt sich zeigen, wie digitale Dokumentationsmethoden unsere Kenntnisse über die Artefakte wesentlich erweitern. Wie alle anderen Gussformen wurde die Gussform QH 207/42 in Bonn im Jahr 1970 direkt nach der Ausgrabung einer Röntgenuntersuchung unterzogen. Mit Hilfe dieses Verfahrens war also schon damals bekannt, welche Gussobjekte in den Formen steckten oder welche Bronzefiguren mit ihnen gegossen werden sollten. Wie das Röntgenbild von QH 207/42 zeigt, handelt es sich um die Form für einen leicht hockenden Harpokrates in typischer Kinder-Ikonografie und einer Öse am Nacken. |
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Die an der Bundesanstalt für Materialforschung – und prüfung (BAM) durchgeführte Computertomographie erlaubt es, diese Gussform in ihrer Gesamtheit und in Schnitten mit einer Auflösung von 28 µm aus jeglicher Richtung zu analysieren. Dadurch können nicht nur Zusammensetzung und Machart des keramischen Formmantels studiert, sondern auch das zu gießende Objekt anhand des vorhandenen Hohlraums modelliert werden. Dabei ist wichtig zu bemerken, dass die Computertomographie nicht die tatsächliche Beschaffenheit abbildet, sondern sich das computergenerierte Bild aus den Röntgenstrahlen-Absorptionsprofilen der einzelnen Bestandteile – den sog. Volumenelementen (auch Voxel, dreidimensionale Pixel) – des Objekts generiert. So werden die Hohlräume und Schichten des Formmantels wie auch seine Strukturmatrix aus den einzelnen Bestandteilen, Einschlüssen und Magerungspartikeln in computergestützer Umrechnung der Strahlenabsorption sichtbar. Die noch ausstehende keramischen Dünnschliffanalyse einzelner Gussformen wird es ermöglichen, die Bestandteile auch chemisch und technologisch korrekt zu identifizieren. |
Die detaillierteren Schnitte lassen die zwei Schichten des Formmantels sehr deutlich erkennen. Es ist zu sehen, wie dünn und fein der innere Formmantel über das einstige Wachsmodel geformt wurde. Die feinen Risse und Hohlräume ergeben sich durch das Ausschmelzen des Wachses unter Hitzeeinwirkung, da der Formmantel beim Brand leicht an Volumen verliert. Die äußere Schicht stabilisiert die innere jedoch, so dass dies für den eigentlichen Gussvorgang nur unwesentlich von Bedeutung ist. |
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Die digitale Ausmodellierung der inneren Hohlräume bzw. der Negativform der Harpokratesstatuette erlaubt es, sich einerseits ein präzises Bild über die Ikonografie der Figur, andererseits über die Gusstechnik und den Aufbau der verwendeten Wachsmodelle machen. |
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Die in der Gussform vorhanden Hohlräume können nun am Computer 'mit Leben gefüllt werden'. Nach dem virtuellen Guss in die Form ist auch immer etwas virtuelle Bronze in die Zwischenräume gelaufen, die zwischen den beiden Formmantelschichten vorhanden sind. Dadurch ist wie im Bild rechts die Sicht auf die Figur versperrt. Im tatsächlichen Verfahren wäre das allerdings nicht passiert, da die Bronze beim Eingießen in den Gusskanal die oberen und sehr dünnen Zuläufe dieser Zwischenräume blockert hätte, so dass nichts nachgeflossen wäre. |
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Die störende Schicht der virtuellen Bronze in den Zwischenräumen lässt sich natürlich per Computer entfernen und es erscheint die niemals gegossene Figur in ihrer Gussform. Deutlich sind Gusstrichter, Fussplatte der Figur, deren Haltung und die kleinsten Unebenheiten in der Modellierung des ursprünglichen Wachsmodells zu erkennen. Anhand der mit diesem Verfahren gewonnenen Daten lässt sich ein digitales Modell erstellen, das in den kommenden Wochen mit Hilfe eines 3D-Druckers neu als Artefakt erstehen kann. |
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Das vorgestellte Verfahren ist zum größten Teil auch auf die anderen Gussformen angewendet worden, so dass es möglich ist, die intendierten Endprodukte zwar nicht in Bronze, aber in Kunststoff darzustellen. Darüber hinaus ermöglichen es diese Daten, selbst Modelle herzustellen, die im Kontext eines geplanten Workshops zur experimentellen Archäologie tatsächlich auch in Bronze gegossen werden sollen.